Ich weiß noch, wie ich mit einer Freundin im Café saß, einige Wochen nach der Entbindung. Sie, total happy mit ihrer kleinen Maus, die schon einige Monate älter war als unser Dicker und fröhlich vor sich hin brabbelte. Mal eben im Kinderwagen die Windel gewechselt, Feuchttuch brauchen wir jetzt mal nicht, geht auch so. Ich, seit Wochen kaum geschlafen, Augenringe bis in die Kniekehlen, jedes Lüftchen drohte die Dämme zu brechen, das Wasser stand mir quasi schon in den Augen. Wie, Windeln wechseln ohne akribisch alles sauberzumachen? Und sonst mit Feuchttüchern? Ja, sie ist da unempfindlich, hatte noch nie was am Popo.
Wir kämpften seit Wochen mit wundem Po, einem hartnäckigen Pilz, große offene Stellen, schmerzerfülltes Geschrei, auch nachts alle zwei Stunden wickeln und sowieso, da er ja ständig kackerte, morgens, mittags, abends, nachts, mehrmals noch beim Wickeln auf dem Wickeltisch, und natürlich kam nur Wasser an den geschundenen Po, von Feuchttüchern wurde uns wegen der alarmierenden Situation da unten strikt abgeraten. Nachts wickeln?, meinte meine Freundin. Mussten wir noch nie. Koliken hatte sie nicht, und sie macht ja auch nur ein Mal die Woche groß.
Mir fiel fast alles aus dem Gesicht, und gleichzeitig war ich in dem Moment erleichtert: Es ging gar nicht um mich, ich war nicht unfähig, mich über unser Babyglück zu freuen, und ich musste auch nicht ständig ein schlechtes Gewissen haben, dass ich nicht 24 Stunden am Tag ausschließlich glücklich und dankbar für unseren Schatz war! Es war sein Darm! Oder sein Bauch, egal, aber etwas, wofür weder der Kleine noch ich etwas konnten!
Manchmal – oder bei manchen Müttern – muss man als Mutter vielleicht aufpassen, nicht zu viel links und rechts zu gucken. Ich habe es zwar selbst noch nicht erlebt, aber oft gelesen, dass bisweilen ein Wettstreit ausbricht, welches Kind am meisten kann/am besten schläft/am frühesten läuft etc. Für mich war es aber überlebensnotwendig, mich mit anderen Müttern auszutauschen oder in den durchwachten, oft auch sorgenvollen Nächten in (halbwegs seriösen) Blogs nachzulesen, wie die Erfahrungen anderer Mütter in den ersten Wochen und Monaten ausfielen. Mich beruhigte dabei sowohl, dass andere genau so auf dem Zahnfleisch gingen und frustriert waren (und natürlich ging es noch viel schlimmer, mit einem Schreibaby zum Beispiel), als auch die Berichte derer, bei denen scheinbar alles glatt lief und die überwiegend glücklich zu sein schienen (genau weiß man’s ja nie, vielleicht war die Nacht davor die Hölle, aber die Person neigt einfach nicht so zum Jammern wie ich).
Denn so oder so wurde mir klar: Ich stelle mich nicht an, ich darf fix und alle und auch frustriert sein, denn es ist echt hart mit den Koliken, der Scheißerei und den 3-4 Stunden Schlaf pro Nacht. Andere, denen es ähnlich geht, sind auch abgegessen von der Situation, und die Zufriedenen sind nicht einfach nur besser darin, ihr Babyglück zu genießen, sie haben einfach ein Baby, das nicht so viel scheißt. Und keine Koliken hat. Und keinen Pilz. Und sie nachts (mehr) schlafen lässt. Und ich nehme mal an, dass ich unter den Umständen die erste Zeit mit dem Kleinen wohl auch noch mehr hätte genießen können, so schön viele Momente mit ihm natürlich waren.
Ein paar Monate später traf ich meine Freundin wieder – der Dicke war da etwa in dem Alter wie ihre Tochter bei unserem ersten Treffen zu viert. Ich musste nachts längst nicht mehr raus zum Wickeln, die Bauchschmerzen hatten mit 3,5 Monaten auf einen Schlag aufgehört, und wund war er auch schon lange nicht mehr. Statt wütendem Geschrei gut gelauntes Gebrabbel – ihm und mir ging es blendend, und ich war komplett verliebt. Babys ohne Bauchweh sind anscheinend doch nicht so unterschiedlich : )