INTERVIEW: “Für Streitereien ist unsere Zeit zu kurz”
Frohes Neues Jahr!
Neues Jahr, neue Ideen. Ich spiele schon seit einer Weile mit dem Gedanken, Interviews mit inspirierenden Menschen einzuführen. Man will ja nicht immer nur in seiner eigenen Suppe, und so. Es gibt so viele Menschen, die etwas Tolles geleistet haben oder ein interessantes Lebensmodell verfolgen. Die erste Person, die ich interviewt habe, war meine Oma. Nein, ich werde jetzt nicht nur meine Familie hier vorstellen ; ) Aber was ist inspirierender als die Liebe?
Von außen wärmt mich eine kuschelige Decke, von innen eine Hühnersuppe und jetzt noch der Halswärmer-Yogi-Tee (wie geil ist der denn bitte!), alles von meiner Oma. Ich bin seit zwei Wochen erkältet, und sie hat mal wieder mit allem voll ins Schwarze getroffen. Kein Zweifel: Oma is best!
Was ich aber besonders inspirierend finde: Auch nach 63 (!) Jahren Ehe beobachte ich immer noch einen liebevollen Umgang zwischen ihr und meinem Opa. Lange Beziehungen gibt es viele. Oft läuft mir jedoch ein Schauer über den Rücken, wenn ich auf der Straße mitbekomme, wie ein älteres Ehepaar miteinander umgeht. Von genervtem Anschweigen über verächtliches Anschnauzen ist alles dabei, aber ein liebevoller Umgang? Selten erlebt.
Aber ist es nicht das, was wir alle wollen? Nicht nur in der ersten Verliebtheitsphase oder am Tag der Hochzeit glücklich miteinander zu sein, sondern bis der Vorhang fällt? Darum wollte ich von meiner Oma, einem Vollprofi in Sachen Beziehung, wissen, wie das geht – bis ins hohe Alter glücklich miteinander zu sein.
Wie schaffen wir es nach so vielen Jahren noch so liebevoll miteinander umzugehen wie ihr? Was ist das Geheimnis?
Einen Tipp habe ich nicht…
Dann ist das Interview hier aber recht schnell vorbei ; ) Was meinst du, was in eurer Ehe hilfreich war?
Opa war ja in der Woche manchmal nur zwei Tage zu Hause, als Fernfahrer.
Okay…
Und als er dann Rentner wurde, hat er alles an sich gerissen. Kasse, Kochen, er wollte alles selber machen. Dadurch gab es am Anfang natürlich Streit. Aber irgendwann habe ich begriffen, das viele Streiten bringt nichts. Wenn ich dann wieder aus dem 1. Stock runter kam, war es auch wieder gut. Im Laufe der Jahre habe ich mir auch ein dickes Fell angeschafft. Opa ist ja schon manchmal pingelig und meckerig. Aber es nützt nichts, ständig einen Streit vom Zaun zu brechen. Dafür ist unsere Zeit zu kurz.
Das stimmt. Also schluckst du auch mal deinen Ärger herunter?
Ja, nur wenn das Maß voll ist, dann sage ich auch durchaus was. Aber meistens winke ich einfach ab. Leute in unserem Alter ändern sich nicht mehr. Die haben Macken, und kriegen höchstens noch welche dazu.
Würdest du denn sagen, dass ihr nach 63 Jahren noch glücklich oder zufrieden miteinander seid und euch liebt?
Ich bin zufrieden, ja. Und ja sicher, wir lieben uns noch. Opa schlagen manchmal zwar die gesundheitlichen Probleme aufs Gemüt. Aber wir haben eine warme Stube, wir haben unser Auskommen – was will man denn mehr? Es muss eben einer für den anderen da sein. Gerade wenn es einem von beiden gesundheitlich nicht mehr so gut geht.
Glaubst du, es wäre anders gelaufen, wenn Opa einen anderen Job gehabt hätte?
Das weiß ich nicht. Wenn wir nun jeden Abend aufeinander gehockt hätten, wäre es sicherlich anders gelaufen. Es ist hilfreich, auch mal eine Rückzugsmöglichkeit zu haben, mit den verschiedenen Etagen und dem Garten. Außerdem habe ich mich früher oft nachmittags mit anderen Müttern getroffen, weil Opa so viel weg war. Die Kontakte waren wichtig.
Es hatte ja auch jeder von euch noch seins, das ist ja auch wichtig in einer Ehe, oder? Du hast deine Tanzgruppe, Opa seinen Garten, jeder sein Nachbarschaftstreffen. Trotzdem unternehmt ihr aber auch noch etwas gemeinsam.
Ja, das Kartenspielen.
Ihr kriegt auch ständig Besuch und Anrufe wenn ich zu Besuch bin, ihr seid total gut vernetzt. Das versuche ich mit meinem Mann ja auch, obwohl er das nicht unbedingt braucht und den Abend am liebsten zu Hause auf der Couch verbringt – ich glaube aber, dass es der Beziehung gut tut, wenn wir als Paar auch mal rauskommen und Zeit mit anderen Paaren verbringen.
Ja, aber es ist auch wichtig, etwas ohne den Partner zu machen, mal nur unter Frauen zu sein.
Die Erziehung der Kinder ist bei vielen Paaren wohl ein Streitpunkt. War das bei euch auch so?
Eigentlich nicht, dafür war ich zuständig.
Zu unserer Hochzeit haben wir einen guten Tipp bekommen – dem Partner drei Schwächen zuzugestehen. Es gibt einfach Dinge, die wir nicht am anderen ändern können. Und wir leben entspannter miteinander, wenn wir das akzeptieren.
Ich hab auch noch einen, vom Dalai Lama: Wenn man sich ärgert, bis 10 zählen und tief durchatmen. Dann ist der größte Zorn verflogen, ohne dass man gleich losgepoltert hat.
Schaffst du das?
Ich vergesse es manchmal…
Was denkst du – was braucht es, um als Paar glücklich miteinander zu bleiben? Nutze gern den Kommentar!