Leben

Und noch ein Text über Mental Load…

Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich kann den Begriff „Mental Load“ so langsam nicht mehr hören. Zum einen wird er in meinen Augen mittlerweile inflationär benutzt. Alles ist Mental Load. Stress, Burnout, Mental Load, alles verschwimmt ineinander. Aber mein größtes Problem ist ein anderes: Ich will gar nicht bestreiten, dass es so etwas geben mag. Ich habe drei kleine Kinder und bin gelinde gesagt ziemlich gefordert. Sie sind aber alle noch nicht schulpflichtig, und was man so darüber hört (es werden ja ganze Bücher über die Lebensphase geschrieben, wenn die Kinder zur Schule gehen!) scheint die Schulzeit ja das Armageddon der heutigen Familie zu sein. Ganz so schlimm ist es bei uns noch nicht. Wir müssen es lediglich schaffen, die Impftermine der Kleinen im Familienkalender nicht zu übersehen und dem Großen den Laternenstab mit in die Kita zu geben. Es mag also mit den Jahren lauter werden, das Summen im Kopf ob all der Dinge, an die man denken muss.

Was mich stört, sind jedoch sowohl die häufig beschriebenen Gründe für Mental Load als auch die Empfehlungen für den Umgang damit. Viele Mütter schreiben von Überforderung, endlosen to do’s im Kopf und zu viel Verantwortung. Okay, kenne ich alles auch, phasenweise, ansatzweise. Könnte man ja meinen: Ui, mache ich wohl was falsch, also mache ich’s anders. Aber jetzt kommt’s: Viele overachievement-Muttis beklagen sich darüber, dass dieser Mental Load von den hohen Ansprüchen der Gesellschaft an die Mutter herrührt, oder vom faulen Ehemann, der eh nichts so auf die Reihe kriegt, wie Mutti es gern hätte. Merkt ihr was? Richtig: Sich selbst in der Opferrolle zu sehen ist einfacher, als sein eigenes Handeln in Frage zu stellen. Das kratzt ja wohlmöglich noch am Ego, das sich daraus speist, alles perfekt im Griff und unter Kontrolle zu haben. Geht ja nicht. Also Gesellschaft Schuld und Ehemann doof.

Es gibt einige gute Texte, die den eigenen Anteil bei dem Thema mit ins Visier nehmen (z.B. Isabel von little years). Aber insgesamt lese ich doch viel „Es stresst mich, den perfekten Kuchen zum Geburtstag zu backen, nebenbei für den Halbmarathon zu trainieren (ohne Witz, hat eine Mutter mit aufgezählt!) und jede einzelne Situation im Kopf durchzugehen, die irgendwann irgendwie irgendwo möglicherweise zu einem Problem werden KÖNNTE“. Diese Mütter wollen immer 150% geben und streben dabei vor allem nach Anerkennung von außen. Und sind dann sauer auf den Mann, wenn der den Quatsch nicht mitmacht. Also statt einzusehen, dass 150% ein bisschen viel und nicht wirklich notwendig sind – Und was wäre da die richtige Lösung? Na? Richtig, eine Einstellung á la „70% sind genug“! -, stattdessen wird gepredigt: Redet mit euren Männern! Verteilt die Aufgaben gerechter! Und der Mann, der von Natur aus oft gelassener und so viel besser darin ist als wir Frauen, auch mal fünf gerade sein zu lassen, fragt sich derweil, warum zum Teufel er dabei helfen soll, weiterhin die unnötigen 150% aufrechtzuerhalten. Das ist, als wenn eine Alkoholikerin von ihrem Mann verlangt, ihr den Alkohol zu besorgen. Die will auch nicht verstehen, dass der Alkohol und ihr Umgang damit das Problem ist und findet ihren Mann, welcher ihr den Vogel zeigt, entsprechend doof. Obwohl der einen Orden verdient, weil er dieses selbstschädigende Verhalten nicht unterstützen will (Ich hoffe inständig, dass alle Männer auf ihre Frauen so reagieren, die ihnen die Aufgabe übertragen wollen, last minute noch schnell eine lebensgroße Einhorn-Pinata für den Kindergeburtstag zu basteln).

Also: Mental Load ist blöd, ja. Aber Muttis, übernehmt Verantwortung. Nein, nicht noch mehr Verantwortung bei der Familienorganisation, sondern beim eigenen Handeln. Denn nicht die Gesellschaft oder der Ehemann sind Schuld, im Zweifel ist es vielleicht der eigene zwanghafte Persönlichkeitsanteil. Der immer alles perfekt machen will, dadurch schlecht delegieren kann, der sehr rigide ist („So, und nur so wird’s gemacht!“) und immer erst die Verpflichtungen auf Kosten des Vergnügens abarbeitet – um ein paar Eigenschaften zu nennen. Oder möglicherweise eine Generalisierte Angststörung, die mit Sorgenketten und konstanter Angst vor potentiellen Katastrophen einhergeht. In dem Fall dienen die Gedanken im Kopf dem Zweck, immer auf alles vorbereitet sein zu wollen und sich selbst in einem Kontroll- und Sicherheitsgefühl zu wiegen. Bei beidem gilt: Nicht das Gespräch mit dem Ehemann, der mehr von der eigenen Last übernehmen soll, ist die Lösung, sondern der Weg zum Therapeuten. Oder zumindest zu einem Coach oder in einen Buchladen, um ein bisschen über die Thematik zu lesen und für sich zu reflektieren.

Natürlich ist nicht jeder von Mental Load Betroffene behandlungsbedürftig. Es kommt vor allem auf den eigenen Leidensdruck an – wenn ich vor lauter Grübeleien nicht mehr schlafen kann oder mir und der ganzen Familie durch die völlig überhöhten Ansprüche das Leben unnötig schwer mache zum Beispiel. Vielleicht gibt es auch „nur“ einen renitenten inneren Kritiker („Wenn du kaufst statt selbst zu backen, hast du als Mutter versagt!“) oder einen erbarmungslosen inneren Antreiber („Das reicht noch nicht, mehr, MEHR!“), wo es sich lohnt einmal hinzuschauen. Die wichtigste Frage dabei lautet: Wessen Stimme ist das? (Spoiler: Meist die der eigenen Mutter). Aber auch die kommt von innen und muss somit auch selbst geklärt und bearbeitet werden. (Buchtipp: „Der Feind in meinem Kopf“ von Matthias Hammer, unbezahlte Werbung).

Also, gestresste Mütter: Wenn der Partner zu Hause wirklich nix macht, während ihr hyperventilierend rotiert, klar, gebt was ab. Oder fragt euch, warum ihr so jemanden geheiratet habt. Aber auch, ob ihr mal wieder überseht, was der Mann vorher alles gemacht hat und nachher noch alles machen wird. Denn ihr seid wertvoll, auch wenn ihr euch selbst, euren Männern und allen anderen nicht ständig beweist, dass ihr die besseren Organisierer/Geschenkebesorger/Socializer/Menschen seid. Haut euch zusammen auf die Couch, macht zusammen einfach mal: nichts. Ganz besonders in dieser (Pandemie- und Weihnachts-) Zeit. Ihr werdet sehen, die Welt dreht sich weiter. Auch ohne Pinata.

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