So, ich hab mich kaum noch an das Passwort zum Einloggen erinnert, so lange ist mein letzter Besuch hier her. Ach ja, das liegt ja daran, dass unsere Zwillinge zur Welt gekommen sind, und dass wir jetzt insgesamt zu fünft zu Hause sind. Waaah!
Nun sind die beiden schon ein halbes Jahr alt, und ich wollte endlich den Geburtsbericht veröffentlichen. Den habe ich schon vor längerem geschrieben, bin aber danach wieder zu nix gekommen. Mir haben die Geburtsberichte von anderen Mehrlingsmüttern im Vorfeld sehr geholfen – sowohl bei der Entscheidungsfindung, wie die Zwillinge zur Welt kommen sollen, als auch bei der mentalen Vorbereitung darauf. Darum möchte ich anderen in meiner Situation auch helfen und Mut machen, die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Los geht‘s!
***
Wenn mir jemand vor einem Jahr erzählt hätte, ich würde in naher Zukunft Zwillinge zur Welt bringen, und das dann auch noch in Zeiten einer weltweiten Pandemie – ich hätte laut gelacht und dem Spinner den Vogel gezeigt. Nun sitze ich hier, und die Zwillinge schlafen (endlich!) in ihrer elektrischen Doppelwippe, welche die beiden hoch und runter schaukelt wie ein Flummi und sie damit erstaunlicher Weise sofort beruhigt. Und der große Bruder geht erst seit wenigen Wochen wieder zur Kita, nachdem er fast drei Monate zu Hause war – wegen einer Pandemie. Ich kann wohl sagen: Langweilig waren die letzten Monate bei uns nicht.
Zunächst war es ein Schock: Da schlagen zwei Herzen in meinem Bauch! Die Sorgen darüber, wie wir das schaffen sollen als 5-köpfige Familie, tanzten anfangs Pogo im Kopf. Und dann war da ja gleich dieser Begriff „Risiko-Schwangerschaft“ im Raum. Alles ist doppelt, wenn man Zwillinge in sich trägt: Doppeltes Gewicht (im Bauch!), doppelte Anzahl an Vorsorge-Untersuchungen, und leider auch doppelte Sorgen sowohl seitens der Hebamme als auch der Frauenärztin. Dadurch dann auch wieder bei der Mutti, die schon von Natur aus maximal gelassen ist (nicht!).
Hätte mir der in die Zukunft blickende Spinner nicht auch gleich vorhersagen können, dass am Ende alles gut werden würde?
Dass beide Babys gesund zur Welt kommen würden. Trotz der unglaublich vielen beängstigenden Erfahrungsberichte anderer Zwillingsmütter. Dass ich die Geburt (mehr oder weniger) gut überstehen würde. Ganz einfach: dass alles gut werden würde. Trotz allem drumrum.
Insgesamt verlief die Schwangerschaft durchaus komplikationsarm, im Vergleich zu vielen anderen Mehrlings- (und sogar so manchen Einlings-)Schwangerschaften. Streckenweise sah es jedoch anders aus. Zum Beispiel hatte ich anfangs ständig mit Infektionen und Pilzen zu kämpfen, was meine Frauenärztin beunruhigte. Und die Aufregung war nochmal größer, als ich viel zu früh über einen stärker werdenden Druck nach unten klagte. Da war ich etwa in Schwangerschaftswoche 24, und sowohl die Frauenärztin als auch die Hebamme waren offenbar alarmiert, während ich zunächst dachte: Naja, kenne ich ja vom ersten Kind. Auf Grund des Frühgeburten-Risikos sind diese Dinge bei einer Mehrlings-Schwangerschaft aber immer gleich eine andere Nummer. Diese Angst sitzt einem bei Zwillingen immer ein bisschen im Nacken, denn am Ende kann es jeden treffen. Die Frage ist nur, zu welchem Zeitpunkt in der Schwangerschaft. Zum Glück half an dem Punkt bei mir noch eine Kombination aus höherer Magnesium-Dosierung, Bryophyllum, Schwangerschafts-Entspannungstee und -bauchöl. Einen halben Tag verbrachte ich zudem im Krankenhaus, weil ich mir nicht sicher war, ob mir vorzeitig Fruchtwasser abgegangen war, was sich jedoch nicht bestätigte.
In SSW 31 kam ich dann wieder ins Krankenhaus – wegen vorzeitiger Wehen und verkürztem Gebärmutterhals. Kurze Panik, als unterm CTG die Wehen so heftig wurden, dass ich mir sicher war: Jetzt geht’s los. Panik zum einen, weil es für die beiden noch viel zu früh war. Und zum anderen, weil ich mir nicht sicher war, ob ich mir eine spontane Geburt von Zwillingen zutraute, die sich aber augenscheinlich nun ziemlich schnell auf den Weg machen wollten. Sofort erinnerte sich mein Körper an die Geburt des ersten Kindes. Und war entsprechend alarmiert, weil diese eher unschön verlaufen war. Der Wehenhemmer schlug zum Glück an und die Lungenreife konnte noch gespritzt werden, für den Fall, dass die Babys bald kommen würden. 9 Tage verbrachte ich im Krankenhaus, was insofern hart war, dass ich den 3-jährigen zu Hause so unglaublich vermisste. Die kurzen Besuche konnten das allabendliche Vorlesen und das ausgiebige Kuscheln morgens im Bett nicht ersetzen. Aber was niemand glaubte, passierte dann doch: Nach 9 Tagen waren die beiden zum einen immer noch drin, zum anderen durfte ich wieder heim. Die Situation da unten war unklar, aber da die Lungenreife durch war, hätten die Zwillinge kommen dürfen. Ich schleppte mich irgendwie nochmal die Treppen der vier Stockwerke zu Hause hoch, mit Stuhlpausen auf jeder Etage. Von da an verbrachte ich meine Tage liegend auf dem Sofa, und die Zwei entschieden sich, noch etwas länger in mir zu wachsen. Ich nahm weiterhin alles, was ich nehmen durfte, um die Geburt heraus zu zögern. Zum Beispiel Progesteron, auch wenn die Wirkung in so einem späten Stadium und bei einer Mehrlingsschwangerschaft nicht bewiesen ist.
Aber je mehr ich mich bewegte, desto unruhiger wurden die Zwei. Jeden Morgen war ich aufs Neue überrascht, in meinem Bett aufzuwachen und immer noch schwanger zu sein. Ich war einfach nur dankbar für jeden Tag, den sie weiter in mir wuchsen, an dem sie kräftiger und widerstandsfähiger wurden, um es hoffentlich nicht allzu schwer am Anfang auf der Welt zu haben. Jeden Tag hatte ich Wehen, und wir stellten uns darauf ein, dass sie sich bald auf den Weg machen würden. Und dann kam Corona.
Ernsthaft jetzt?! Zwillinge zu erwarten ist schon aufregend genug, aber auf die Dramatik, die damit losgetreten wurde, hätte ich gern verzichtet. Es war wie ein schlechter Film. Erst gab es einen, dann zwei positive Fälle an der Schule meines Mannes. Alle Lehrer und Schüler wurden vorsorglich in Quarantäne geschickt. Somit durfte er das Haus für die nächsten zwei Wochen nicht verlassen. Ein Anruf im Kreißsaal bestätigte unsere Befürchtung: Ohne negatives Testergebnis dürfte er bei einsetzender Geburt nicht mit. Was versuchten wir also? Ihn schnellstmöglich testen zu lassen. Wie einfach war das am Anfang der Corona-Pandemie? So einfach wie eine Audienz beim Pabst. Drei Versuche schlugen fehl, die Teststellen waren komplett überlastet. Nur dank eines benachbarten Arztes konnte mein Mann sich kurzfristig testen lassen. Die Warterei auf das Testergebnis war die Hölle. Es dauerte 7 Tage. 7 Tage, an denen ich täglich Wehen hatte, mal mehr, mal weniger. An denen wir zwei Mal täglich im Labor anriefen, uns verzweifelt an das Gesundheitsamt wendeten, es möge doch die Auswertung irgendwie beschleunigen. Jeden Tag wurden wir auf den nächsten vertröstet. Jeden Tag war das Ziel: Tiefenentspannung – statt maximaler Anspannung wegen des Ausbruchs einer weltweiten Pandemie, Quarantäne, Lockdowns und der Angst davor, Zwillinge ohne Unterstützung meines Mannes auf die Welt bringen zu müssen… Tiefenentspannung. Damit die Zwillinge nicht kommen. In ein paar Tagen, wenn wir das Testergebnis haben, okay, aber NICHT JETZT.
Irgendwann habe ich angefangen mir einzureden, dass ich die Geburt auch alleine schaffen würde. Ich hatte mich inzwischen für einen Kaiserschnitt entschieden. Die erste Geburt war zu traumatisch und das Risiko bei Zwillingen war mir zu groß, dass etwas schiefgehen würde. Allerdings hatte ich Sorge, dass sich die beiden so schnell auf den Weg machen würden, dass es am Ende doch eine spontane Geburt werden würde. Diese ohne meinen Mann durchzustehen, konnte ich mir nur schwer vorstellen. Und selbst, wenn mein Wunsch klappen sollte, flößte mir die große Bauch-OP, die ein Kaiserschnitt nunmal trotzdem ist, höllisch Respekt ein.
Ich entspannte mich deutlich, als nach 7 Tagen endlich das negative Testergebnis da war und wir wussten, dass es für meinen Mann das Ticket in den Kreißsaal war. Einige Tage später sendete mir der Körper eindeutige Signale, dass er seine Grenze erreicht hatte und die Zwillinge nicht mehr lange auf sich warten lassen würden. Es ging gar nichts mehr, ich kam nicht mal mehr alleine vom Sofa hoch. Der Bauch war massig und die Haut um den Bauchnabel komplett gerissen. Am Ende musste mir meine Hebamme sogar noch sagen, ich möge doch innerlich nun loslassen, es sei in Ordnung, wenn die beiden jetzt kommen würden. Das sagt sich so leicht, wenn es die ganze Schwangerschaft über um nichts anderes geht, als die beiden unter allen Umständen drin zu behalten!
Wir waren glücklich, erleichtert und konnten es kaum glauben, dass die beiden letztlich bis zum festgesetzten Termin drin blieben und es bei 37+0 wirklich noch ein geplanter Kaiserschnitt wurde. Ich bin mir sicher, dass sie sich spätestens in den drei folgenden Tagen von selbst auf den Weg gemacht hätten. So konnten wir zum Beispiel die Betreuung des Großen organisieren, auch wenn die Großeltern wegen Corona leider nicht wie geplant zur Unterstützung anreisen konnten. Und das Ganze ging nicht wie beim ersten Mal dramatisch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion los, sondern wir fuhren ganz entspannt mit Termin an einem sonnigen Frühlingstag Ende März zur Klinik.
Vor der OP war ich ruhig – die beiden waren reif genug und ich war mir sicher, dass alles gut gehen würde. Ich war einfach nur froh, dass sie noch so lange in mir gewachsen waren und dass es den beiden weiterhin gut ging. Dass sie sich nicht so schnell auf den Weg gemacht hatten, dass ich sie doch spontan auf dem Seitenstreifen der A100 hätte gebären müssen. Und dass es zum Schluss keine Komplikationen mehr gegeben hatte, sodass noch ein Notkaiserschnitt hätte vorgenommen werden müssen. Im OP-Saal standen dann gefühlt 10 Personen und schauten mich an. Da wird man dann doch ein bisschen nervös. Zumal das Durchschnittsalter unter meinem eigenen lag und ich mich irritiert fragte, wann denn bitte der erfahrene Chef-Arzt kommen und die Kinder aus mir heraus operieren würde? Die Anästhesistin war toll und nahm mir ein wenig von meiner Aufregung. Den Einstich der Nadel spürte ich nicht wirklich. Das Gefühl, aufgeschnitten zu werden, werde ich hingegen nie vergessen. Es war nicht schmerzhaft, es fühlte sich eher an, als würde jemand einen prall gefüllten Lederbeutel aufschlitzen. Kann man trotzdem drauf verzichten. Und dann, gefühlt drei Sekunden nach dem Schnitt: Der erste Schrei. Mein Mann und ich waren total überrascht, dass es so schnell ging. Kurz wurde mir der kleine M. gezeigt, und ich war überwältigt. Nach einigem Geruckel und Gedrücke (auch nicht schmerzhaft, aber wieder: auch nicht schön) hörten wir ein leises Maunzen. Mir fiel gleich auf, dass es nicht so kräftig klang wie beim großen Bruder. So war ich auch nicht überrascht, dass sie die kleine L. zunächst zum Kinderarzt brachten. Es dauerte aber zum Glück nicht lang und dann kam auch sie wieder zu uns zurück. Hätte ich sie zuvor gar nicht gehört, wäre ich vermutlich umgekommen vor Angst. Aber dank diesem einen kleinen Laut wusste ich: Sie ist gesund, nur etwas schwach. Außerdem hatte ich vorher schon davon gelesen, dass Zwillinge (oder allgemein Kaiserschnitt-Babys?) häufiger eine kurze Atemunterstützung nach der Geburt brauchen, um in der Welt anzukommen, also war das nicht ungewöhnlich.
Ich zitterte am ganzen Körper, ohne es kontrollieren zu können. „Das passiert häufig, ist die Aufregung“ erklärte uns die Anästhesistin, und ich bekam eine Spritze dagegen, die schnell half. Das Zunähen dauerte nochmal eine ganze Weile, vielleicht wollten sie es besonders schön machen. Das Personal ließ uns noch so lange wie möglich zusammen, aber abends musste der Papa dann nach Hause, und wegen Corona durfte er nicht mehr wiederkommen. Statt die Zwillinge im Familienzimmer gemeinsam zu versorgen und den Großen zu Hause von Oma und Opa betreuen zu lassen, musste er sich wegen der Kita-Schließungen um den 3-jährigen kümmern und ich mich allein um zwei Babys. Obwohl ich mich die ersten Tage vor Schmerzen so gut wie gar nicht bewegen konnte, und wenn dann nur unter kalten Schweißausbrüchen. Ich musste wegen allem klingeln, und die Schwestern halfen, wo sie konnten. Gewickelt habe ich die beiden im Krankenhaus nicht ein einziges Mal, es ging einfach nicht. Mein großer Wunsch hatte sich jedoch erfüllt: Keiner von beiden musste auf die Neonatologie! Nichtmal einen Tag! Sie waren gesund und kräftig genug, gleich mit mir aufs Familienzimmer zu kommen. Einzig etwas trinkschwach am Anfang, sodass ich abpumpen und erst mit der Spritze, später mit der Flasche zufütterte. Auch dabei halfen die Schwestern, denn es war ein immenser Kraftakt für mich. Die Nachwehen beim Abpumpen, trotz Schmerzmittel, werde ich auch nicht so schnell vergessen. Teilweise bekam ich nur eine halbe Stunde Schlaf am Stück – das Abpumpen und Versorgen von zwei Babys dauert einfach verdammt lange, sodass dann schon wieder fast die nächste Runde anstand. Aber die Zwillinge nahmen weder zu viel ab, noch bekamen sie Gelbsucht. Sie schafften es außerdem in ganz kleinen Schritten, immer besser an der Brust zu trinken, sodass ich heute tatsächlich wie gewünscht Stillen und Flasche kombinieren kann.
Am fünften Tag durften wir zusammen nach Hause, und auch wenn es mir körperlich die erste Zeit noch ziemlich mies ging, wurde es jeden Tag ein bisschen besser. Und hier sitze ich nun, als Mutter von drei gesunden Kindern, und kann es manchmal immer noch nicht fassen. Da sind zwei Babys gleichzeitig in mir gewachsen! Jetzt sind sie da und allen geht es gut. Das ist, als würde mir jemand gleichzeitig eine Weltreise, ein Haus mit Garten, meinen Traumjob und 365 Tage Sonnenschein schenken. Nur besser. Ich werde nie wieder im Leben um etwas anderes bitten.