Mein erster Text über Mental Load hat nach dem Teilen auf dem Blog Stadt Land Mama in der dazugehörigen Facebook-Gruppe, sagen wir mal, gemischte Reaktionen hervorgerufen. Es kamen auch einige sehr negative Kommentare (mein Favorit: „Ich krieg Brechreiz beim Lesen!“). Das hat mich motiviert, eine Fortsetzung zu schreiben 🙂 Quasi eine ausführlichere Version mit einigen Ergänzungen.
Ein Vorwurf war, der Text sei zu einseitig und ich würde soziologische und gesellschaftliche Aspekte wie Geschlechterungerechtigkeit überhaupt nicht berücksichtigen. Das war aber ja auch nicht meine Intention. Ich habe keine Abhandlung verfasst und auch kein Buch geschrieben, das sich vollumfänglich mit dem Thema Mental Load befasst. Ich habe – ohne die anderen Faktoren deshalb zu verleugnen – EINEN Aspekt rausgegriffen und näher beleuchtet, nämlich die eigene Persönlichkeit. Da sich zuvor einige Mütter in ihren Texten in meinen Augen ausschließlich auf externe Ursachen bezogen haben, war es doch mit diesem Text genau mein Anliegen, einmal mögliche interne Ursachen (z.B. eigene überhöhte Ansprüche) zu benennen. Alles andere wurde ja schon zigfach durchgekaut.
Manche fanden „Jetzt sollen wir Mütter ja wieder an allem Schuld sein“. Nein, nicht alle Mütter. Ich beziehe mich in dem Text lediglich auf die mit perfektionistischen und völlig überhöhten Ansprüchen, die ihren eigenen Anteil bei der Geschichte überhaupt nicht sehen. Das Beispiel meiner Kollegin Frau Cammarata (Autorin des Buches „Raus aus der Mental Load Falle“) kann ich gut nachvollziehen: Zuerst übernahm sie in Elternzeit einen Großteil des Mental Load, was für sie in Ordnung war. Aber als sie wieder 30 Stunden arbeitete und merkte, dass ihr nun alles zusammen zu viel wurde, setzte sie sich mit ihrem Partner zusammen, um eine gerechtere Verteilung zu erzielen. Absolut verständlich, in dem Fall ist es sicherlich vorteilhaft, sich die Belastung von Mental Load bewusst zu machen, und die Selbstverständlichkeit, die Frau übernehme das alles weiter, zu diskutieren. Vielleicht habe ich auch nur per Zufall im Netz einige Artikel gelesen, wo ich die Beispiele der Mütter, was sie so belastet, nicht nachvollziehen konnte, weil es für mich nicht (nur) Mental Load, sondern vor allem eine übermäßig hohe Leistungsorientierung oder überhöhte Ansprüche widerspiegelte.
Die Definition ist ja auch „sich für alles verantwortlich fühlen, woran gedacht werden muss“, und die lässt nunmal Spielraum. Dass sich in einem Bild der bekannten französischen Comic-Zeichnerin Emma zum Thema Mental Load eine Mutter dafür verantwortlich fühlt, im Blick zu haben, ob der Mann noch ein sauberes Hemd zum Anziehen hat, zählt für mich definitiv zu den Punkten „Kann ich als Frau dran denken, kann ich aber auch lassen“. (Wobei ich mich frage, was das für ein 50-er Jahre Beispiel ist in einem eigentlich feministischen Comic). Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch keine Gedanken darüber gemacht, ob mein Mann noch was Sauberes zum Anziehen hat. Er ist schließlich mein Mann und nicht mein Kind. Zumal er keine Hemden, sondern vorzugsweise Kapuzenpullis trägt. Also ist die Emma entweder altmodischer, als sie denkt, oder hat einfach einen Mann, der bei der Rentenversicherung arbeitet, wer weiß. Aber die Gründe, warum Mutti sich verantwortlich fühlt, können eben neben den gesellschaftlichen (Verständnis von Rollenverteilung etc.) auch in der eigenen Persönlichkeit liegen, die durch bestimmte Werte, Sozialisierung und Erziehung beeinflusst wird und deren Rolle nicht übersehen werden darf. Da hören nämlich viele Texte in meinen Augen auf („Verantwortung abgeben kann schwer fallen, aber das ist ein anderes Thema“).
Manch eine Frau fühlt sich wohl für vieles bis alles verantwortlich, andere nicht. Und nur, weil man sich verantwortlich fühlt, ist es nicht automatisch die Wahrheit („Ich fühle mich verantwortlich, also bin ich es auch“). Weiter heißt es „woran gedacht werden muss“. Auch da bin ich mir sicher, dass – je nach Persönlichkeit – die Auffassungen, was muss und was nicht, zum Teil weit auseinandergehen. Lassen wir mal die These beiseite, wir müssen gar nix, außer zu sterben. Gemeint ist ja: Etwas muss erledigt werden, sonst hat es negative Konsequenzen. Was muss also wirklich, weil notwendig, und was ist zu viel? Müssen die Steckdosen abgestaubt werden (Beispiel einer anderen Mutter)? Passiert etwas Schlimmes, wenn nicht daran gedacht wird? Wer entscheidet darüber, was muss? Die Frau? Der Mann? Beide zusammen?
Die Comic-Zeichnerin Emma führt beispielsweise auf, Frauen würden immer noch 2,5 Mal mehr Zeit mit dem Haushalt verbringen als Männer. Es zeigt ein Ungleichgewicht, ja. Aber Ungleichgewicht bedeutet ja nicht automatisch Ungerechtigkeit. Ich kenne viele Frauen, die von sich selbst sagen, sie mögen es gern besonders sauber und wollten es zu Hause immer so haben, dass auch spontan Besuch vorbeikommen könne. Der kann natürlich immer vorbeikommen, gemeint ist ja: Es soll keiner denken, ich wär eine schlechte Hausfrau, erst recht nicht die eigene Mutter oder Schwiegermutter. Wer hat jetzt das Problem? Wer das Problem hat, sollte es in meinen Augen auch selbst lösen.
Die wichtige Frage für mich ist, kam der Stress wirklich erst mit den Kindern und der Familienorganisation? Dann spricht es für Mental Load und entsprechende bekannte Maßnahmen wie Aufgaben sichtbar machen, gerechter verteilen etc. Aber vielen Texten im Netz entnehme ich einen stark perfektionistischen Anteil der Frauen, was mich vermuten lässt, dass sie auch schon vor der Mutterschaft die vielen Gedanken, eine hohe Leistungsorientierung („nebenbei noch für den Halbmarathon trainiert“) und das Gefühl der Verantwortung aus anderen Bereichen kannten und dementsprechend sehr wahrscheinlich auch dann noch haben werden, wenn der Partner mehr übernimmt (falls sie es denn wirklich schaffen, nicht nur Aufgaben, sondern auch die damit einhergehende Kontrolle abzugeben), weil es einfach so fest in ihnen verankert ist. Seine Themen nimmt man nunmal immer mit, selbst wenn man die Umstände (Job, Partner) ändert.
Egal, wie negativ wir das empfinden, was wir immer wieder machen (z.B. zu viel mentale Verantwortung übernehmen), wir haben auch immer irgendetwas davon. Diese Vorteile, unsere Motivation, müssen wir verstehen, weil es aufrechterhaltende Faktoren sind. Motivation kann z.B. sein
- ich definiere meinen Wert als Person über meine Qualitäten als Mutter oder über meine Leistung („Ich bin nur wertvoll, wenn ich etwas leiste“)
- Streben nach Anerkennung und Wertschätzung (über Leistung, Aufopferung, übermäßige Fürsorge)
- Streben nach Perfektionismus, Sicherheit und Kontrolle (Angst, schlechtes Gewissen und Scham vermeiden)
- Vermeidung von Ablehnung, weil mich andere als schlechte Mutter/Hausfrau ansehen könnten
Ich bestreite nicht, dass es diesen gesellschaftlichen Druck gibt. In letzter Zeit poste ich gern Chaos-Bilder aus unserer unaufgeräumten Wohnung. Ich bekomme viele erleichterte Rückmeldungen von Müttern, die schreiben, dass es bei ihnen selbst Druck raus nehme und sie dadurch nicht so ein schlechtes Gewissen haben müssten, wenn sie sehen, dass es bei anderen – entgegen der meisten perfekt inszenierten öffentlichen Wohnungsfotos – eben auch nicht immer perfekt aussieht. Oder eine Mutter, die schrieb, dass eine gekaufte Schultüte in der Schule ihres Sohnes nicht toleriert worden sei, daher habe sie eben eine gebastelt. Vielleicht ist das tatsächlich die traurige (Schulkinder-)Realität.
Aber ich kann mich doch entscheiden, dass ich dieses Konkurrenzding unter Müttern nicht mitmachen will. Ich kann mich fragen, warum oder für wen ich dieses oder jenes mache (Beispiel der Einhorn-Pinata aus meinem ersten Text oder eben die gebastelte Schultüte) – für mich? Fürs Kind? Fürs Facebook-oder Instagram-Foto? Damit es die anderen Mütter/meine eigene Mutter anerkennend wahrnimmt? Die Frage ist in dem Fall doch: Schaffe ich es, mich von dem gesellschaftlichen Druck zu befreien, mich von den Erwartungen der anderen abzugrenzen und mich ganz auf die Bedürfnisse meines Kindes und die Werte meiner kleinen Familie zu besinnen? Kann ich mir selbst die Erlaubnis erteilen, etwas von der Last abzugeben oder einfach weniger zu machen? Mit dem Ziel, keine perfekte Mutter zu sein, sondern eine ausreichend gute (und dadurch entspanntere).
Mir fehlt vielleicht auch zum Teil das Verständnis für die Kritik an den Männern, weil ich einen Guten abbekommen habe. Der denkt vielleicht nicht immer ans Zähneputzen der Kinder, aber an tausend andere Dinge. Kocht, macht den Haushalt mit, kauft ein. Natürlich kann ich nicht von meinem Exemplar darauf schließen, dass Männer doch im Allgemeinen besser sind, als sie bei der Debatte davonkommen. Aber ICH entscheide doch, welchen Partner (mit welchem Rollenverständnis) ich wähle. Entweder ist die Kritik wirklich berechtigt und ich hab einen Chauvi zu Hause sitzen, dann hab ich eine schlechte Wahl getroffen, wenn es mich so sehr stört. So trennte sich Frau Cammarata auch letztlich von ihrem Partner, so schmerzhaft die Erkenntnis sicherlich war. Mein Mann hat Elternzeit genommen, würde am liebsten noch länger mit den Kindern zu Hause bleiben. Er hat immer im Blick, wann die Kids was Neues zum Anziehen brauchen. Er kocht, wäscht etc. Man wird doch heute (in der Regel) nicht zwangsverheiratet, sondern entscheidet sich für den anderen.
Oder die Kritik ist nicht berechtigt, dann finde ich es unfair den Männern gegenüber. Frauen sehen gern das, was sie alles geleistet haben, und übersehen, was der Partner eben (auch) macht. Eine mögliche Antwort liegt für mich am Ende des Comics – weil sie sich für unersetzbar halten (möchten). Natürlich wollen wir alle wertvoll für die Familie sein und gebraucht werden, aber ich glaube einfach nicht daran, dass es überall nur fleißige und fähige Mütter vs. faule und unfähige Väter gibt. So finde ich die Zeichnung im Emma-Comic, wo drei Mütter über ihre Männer ablästern, was diese alles zu Hause nicht machen, auch einfach abwertend den Männern gegenüber. Bei Gleichberechtigung geht es doch um Augenhöhe, nicht darum, den anderen schlecht zu machen, um sich selbst zu erhöhen.
Das ist vermutlich auch das, was mich am meisten an dem Comic und an vielen Texten stört. Ich kenne Mental Load auch, und auch mich nervt es manchmal. Wenn ich meinem Mann mehrmals sagen muss, dass er bitte endlich etwas erledigen mag, damit ich es endlich aus dem Kopf habe (z.B. eine bestimmte Rechnung überweisen). Aber so sehr mich das auch manchmal nervt, weil wir hier als Familie immer irgendwie versuchen, den Alltag zu bewältigen und dabei nicht völlig durchzudrehen, verliere ich doch nicht gänzlich den Blick für die Perspektive meines Mannes. Der ist doch auch von den gesellschaftlichen Veränderungen betroffen, nicht nur wir Frauen. Der macht doch jetzt auch seine Arbeit plus mehr zu Hause und rotiert dabei genau so, wie ich. Er vergisst die Rechnung doch nicht, weil er faul ist, sondern aus Überlastung. Nach der Arbeit sofort das große Kind von der Kita abholen, danach die Babys versorgen, noch schnell was kochen (ja, macht meistens er) und bei der Versorgung von drei Kindern helfen. Wenn dann alle im Bett sind, entweder noch arbeiten oder einkaufen gehen. Für ihn ist das alles doch genau so herausfordernd wie für mich. Wir sitzen in einem Boot, und das vermisse ich bei der Debatte auch: Sich nicht nur mit den anderen Müttern zu solidarisieren, sondern vor allem mit dem eigenen Partner.
Entsprechend irritiert war ich über die Szene im Comic, wo Mann und Frau auf der Couch sitzen und fernsehen – der Vater schaut einfach fern, die Mutter beschäftigt sich laut Gedankenblase mit Mental Load-Gedöns. Die Überschrift: „Die mentale Last ruht quasi zu 100% auf den Schultern der Frauen“. Joa, kann man machen. Eine alternative Überschrift könnte jedoch sein: „Der Mann hatte beim Achtsamkeitskurs besser aufgepasst“. Oder auch: „Was Ihnen zeigt, dass Sie Ihre Entspannungsfähigkeit trainieren sollten.“ Nur mal so als Idee.
Also, dass der Comic dazu beigetragen hat, dass Mental Load diskutiert und sichtbarer wird, find ich gut. Auch wenn er inhaltlich bei mir öfter ein Kopfschütteln als begeistertes Nicken hervorgerufen hat. Auch sollten Mütter, wo Mental Load eine Last darstellt, das Thema angehen. Deutlich zu machen, dass bereits das Delegieren von Aufgaben Mental Load ist, weil man als Frau ja doch wieder daran denken muss, finde ich sehr wertvoll. Aber ich bleibe dabei, dass sich manche Frauen, nämlich vor allem die, die sich und anderen mit perfektionistischen Ansprüchen das Leben unnötig schwer machen, durch die Mental Load-Debatte in genau die Opferrolle begeben, aus der doch eigentlich alle Frauen raus wollen.
Was meinst du zu meinen Gedanken? Ich freue mich über deinen (auch gern kritischen ;)) Kommentar.